27. November 2013

Erloschen

Den dicksten, schwarzen Mantel um den Körper gebunden, den langen Wollschal um den Hals gewickelt, gefütterte Handschuhe.
Der Wind weht langsam und eisig von Norden, er schleicht sich heran.
Der Himmel ist eine einzige graue Wand, und lässt keinen Funken Licht zu mir dringen.
Die Bäume ragen knochig gen Himmel, kein Blatt mehr an ihnen hängt.
Selbst die Vögel haben sich tief verkrochen.
Die Kälte ist unerträglich, sucht sich den dünnsten Schlitz, um an meine Haut und noch weiter bis tief zu den Knochen zu gelangen.
Ich kann kaum atmen, denn der Frost ist in mir.
Ich lausche der Stille, dem Nichts.

Die Tore öffnen sich und ich gehe hinein.
In der Halle ist es ähnlich kalt wie draußen.
Ich setze mich auf die knochige Halzbank, irgnoriere die Kälte. Die Stille begleitet mich und ich heiße sie Willkommen.
Vor mir ein Blumenbett. Weiße, Orangene, Gelbe. Viel Grün. Im Gesteck, Strauß oder einzeln.
Große, weiße Kerzen ragen im Hinergrund gen Decke, nur dünn flackert die schmale Flamme.
Rechts und links stehen Tischchen mit unzähligen Teelichtern.
Der Anblick ist atemberaubend schön, doch ist die Traurigkeit häßlich.
Sie schleicht durch mich hindurch und doch legt sie sich wie ein dunkler Neben auf mich nieder.
Die Kälte spüre ich nicht mehr, stattdessen unendlichen Schmerz.
Er betäubt mich, er lähmt mich, er küsst mich.
Leise, sanfte Pianomusik regt sich im Hintergrund, Worte werden ruhig gesprochen, Tränen fallen.
Ich gedenke still und lasse mich fangen.

Längst vergessene Erinnerungen dringen zu mir, man kann sie nicht aufhalten.
Bilder, Worte, Szenen, so lebendig und froh.
In Gedanken bei dir, der du fortgegangen bist.
Wie sanft ein Kerzenlicht, so bist auch du erloschen.
Lässt uns alleine und in Trauer.
Die Glieder gelähmt, von der Kälte zerfressen.
Draußen wird es dunkel, und nicht nur draußen, sondern auch tief in mir.

17. November 2013

Vor der Vorweihnachtszeit

Nun sind allmählich auch die letzten Blätter von den Bäumen gefegt worden, und in den frühen Morgenstunden weht einem eine frostige Brise um die Nase. Die Übergangsjacke kann getrost gegen den dicken Wintermantel eingetauscht werden, auch wenn man wieder in der überhitzten Bahn seine Stoffschichten von sich pellen muss. An manchen Tagen ist dieses Hitzegefühl unerträglich, und ich verstehe es nicht, wie man dick eingepackt bei gefühlten vierzig Grad in der Bahn seelenruhig sitzen kann.
Die Regale der Supermärkte sind schon seit Wochen mit Süßigkeiten zugestopft, und es scheint, als gebe es jährlich mehr. Jeder noch so kleine Einkaufsmarkt bietet Lichterketten, Schwippbogen, Weihnachtskugeln & Co an, sodass man sich überhaupt nicht mehr entscheiden kann, was man selbst zuhause gerne hätte.
Überall glitzert es, überall lockt es.
Am Alexanderplatz wurde diese Woche die Hütten für den Weihnachtsmarkt geliefert und aufgebaut, lange hin ists ja nun wirklich nicht mehr. Auch der Bahnhof wurde üppig mit Sternen, Kränzen und Kugeln behangen.
Weihnachten ist sicherlich das größte und schönste Fest im Jahr, und immer wieder frage ich mich, was man insgeheim mit diesem Übertreiben erreichen möchte. Sicherlich, es ist schön durch die Einkaufsstraßen Berlins zu schlendern, überall vom Glanze der Weihnachtsdeko und Lichterketten angestrahlt zu werden. Und wenn der sanfte Schnee vom Himmel rieselt, kann es doch nur jeden heiter stimmen.
Ich muss gestehen, ich bin mittlerweile ein großer Fan dieses übertriebenen Weihnachtsaufgebots. Es kann nicht genug funkeln, strahlen und glitzern. Vielleicht liegt das an dem inneren Kind in mir, welches ich noch mit mir herum trage und mir auch immer bewahren möchte. Auch wenn ich mit der religiösen Seite der Festtage nicht viel anfangen kann, so finde ich es schön, über das Jahr verteilt verschiedene Anlässe zu haben, welcher jeder für sich schön und einzigartig ist. Wie öde und leer wäre das Jahr nur ohne sie. Und dabei geht es mir nicht um Geschenke, ich mache selbst lieber anderen eine kleine Freude (in Form von Selbstgebackenes oder -gebasteltem, als irgendwelche materiellen Nutzgegenstände) als das ich selbst etwas bekomme.
Nun ist sie wieder da, die kalte und dunkle Jahreszeit. Vergeblich suche ich die Sonne seit Tagen, und versuche meine Motivation bei diesem grauen Wetter zu behalten.
Der erste Schneeregen wurde schon angekündigt, und ich kann es kaum erwarten, gemütlich durch den ersten, richtigen Schneefall zu schlendern, mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht.

7. November 2013

Die Zuckersucht

Wer kennt es nicht, ein leckeres Dessert, schnell mal vom Bäcker ein Stück Kuchen, oder Abends noch ein paar Stücke Schokolade oder Gummitierchen.

Vor knapp 2 1/2 Jahren habe ich mich das erste Mal in meinem Leben mit meiner Ernährung auseinandergesetzt, weil ich irgendwie nicht mehr weiter wusste. Ich fing an ein Essenstagebuch zu führen, um die schlimmsten Fakten vor Augen zu haben. Nach wenigen Wochen musste ich mir eingestehen, dass irgendwas mit meiner Ernährung nicht stimmte. Wie konnte es sein, dass ich jeden Tag den Drang hatte, nach Streuselschnecke, Gummibärchen und Schokokekse zu greifen? Wie konnte ich, nachdem ich soviel Schokolade in mich hineinstopfte (und ich rede nicht von einer Tafel) dass mir schlecht wurde, wieder am nächsten Tag nach Herzenslust zugreifen? Nicht nur Süßes, sondern auch Deftiges, immer schön im Wechsel. Nicht nur mein schlechtes Gewissen quälte mich, sondern ich quälte mich auch selbst.
Da ich auch immer wieder sehr schnell zu- und abgenommen habe (und mir das wirklich viel Energie raubte, denn zunehmen wollte ich nicht wieder so viel wie damals), wusste ich, dass es so nicht weitergehen konnte, dass ich mir nur ständig selbst das Leben schwer machte.
Ich hatte großes Glück, denn zu der Zeit arbeitete ich in einem Bioladen. Soll nicht heißen, dass ich plötzlich zum Vegetaria oder Biofreak mutierte! Nein, aber in einem Bioladen, der so groß wie ein ganz normaler Supermarkt war (Großstädte machens möglich), gibt es sehr viele Produkte, die das Leben bereichern können. Ich muss gestehen, ich kannte nichts. Ich kannte nur das was es auch in anderen, normalen, Einkaufsmärkten gab. Da wir damals im Monat immer einen Freibetrag hatten, wurde ich neugierig und probierte die kuriosten Sachen aus, war ja quasi umsonst. Heute, zwei Jahr später, arbeite ich nicht mehr dort, aber manche Lebensmittel sind in meinem Leben geblieben, wie z.B. Tofu, Qinoa, Kokosmilch, Sandornsaft, Senchatee, Falafel, Kichererbsen, vegetarische Bolognese, Dinkelmehl, ... Kannte ich vorher alles nicht! Da gabs nur Fertigessen in Pulverform!

Dass dieses Pulverzeug, dessen Zubereitung ja super simple, schnell und praktisch ist, irgendwie nur noch negativ in aller Munde war, hatte mich damals nie gestört. Doch in meiner Ernährungsänderungszeit hörte ich mal genauer hin. Ich beschäftigte mich mit den ganzen Inhaltsstoffen (musste ich durch den Job sowieso, denn ich musste jedem Rede und Antwort stehen können, was der Unterschied zwischen Bio und kommerziellen Produkten war) und den bösen komplizierten Wörtern, die kaum einer Aussprechen kann.
Da ich schon immer gerne gekocht hatte, habe ich diese Liebe wieder für mich entdeckt. Ich wollte mir Gutes tun, bewusster und gesünder essen und leben. Ich habe verinnerlicht, dass Obst und Gemüse täglich pflicht ist, und esse heute immer noch täglich sehr gerne beides.
Natürlich hatte auch ich mal schlechte Tage, und griff zur 5 Minuten Terrine, oder zur Pulvertomatensuppe. Aber was soll ich sagen, wer es schafft über längere Zeit hinweg gesünder zu essen, der merkt, wie ekelhaft und total übersalzen eigentlich dieser Pulverfraß ist. Erst letztens wollte ich mal wieder schnell eine (bestimmt seit einem halben Jahr rumliegende) Spargeltütensuppe zu mir nehmen, da ich auf Arbeit noch eine in der tiefsten Ecke verkramt hatte. Nach zwei Löffeln war mir schlecht und ich konnte dieses Zeug nicht runterschlucken. Ich fand es richtig widerlich, und da wusste ich, ich habe es geschafft! Bei mir gibt es höchsten 2 Mal im Jahr Dressing in Pulverform, auf alles andere kann ich sehr gut verzichten. Bei Konservendosen ist es schon schwieriger, aber die esse ich auch nur 1,2 Mal im Monat, damit kann ich noch leben.

Tja, was sich so gut anhört, ist dann aber leider doch noch nicht so gut.
Ich bin wirklich sehr froh, dass ich noch nie großartig viel von diesen ganzen Limonadengetränke wie z.B. Cola zu mir nahm. Ich bin (allerdings auch erst seit einigen Jahren) durch und durch Teetrinker. Hin und wieder gerne Milch oder ein Glas 100%igen Saft. Damit blieb mir schon sehr viel Zucker, und meinen Körper sehr viele Kilos, erspart!
Was heutzutage immer noch mein Problem ist, sind die Süßigkeiten. Trotz guter Ernährung kann ich nämlich auch heute nicht von ihnen die Finger lassen! Die gleiche Gier wie damals ist immer noch da und setzt sich durch!
Ich bin vor wenigen Wochen wieder an einem Punkt gekommen, der mich in purer Verzweiflung trieb. Ich verstand es einfach nicht, warum ich so gut wie jeden Abend den Drang hatte, nachdem ich mich doch tagsüber so gut ernährte (viel Eiweiß, frisch und ausgewogen), immer wieder zu etwas Süßem zu greifen. Natürlich hatte ich irgendwann nichts mehr gekauft, aber als ich dann extra wegen etwas Schokolade nochmal den 15 minütigen Weg zum Supermarkt wählte, war ich erschrocken über mich selbst, denn so etwas kannte ich nicht von mir. Wie viel Geld gab ich nur für Süßes im Monat aus? Ich will es gar nicht wissen. Mich beschäftigte jeden Abend die gleiche Frage, warum das so ist, warum ich nicht konsequenter und disziplinierter sein kann. War ich wirklich einfach nur zu schwach?
Ich betete für Antworten, und vor nicht all zu langer Zeit bekam ich endlich meine Antwort.

Ich bin kein großer Facebookfan, ich like nicht alles, ich les mir nicht alles durch, und generell finde ich vieles einfach nur nervig.
Doch wie es der Zufall so wollte, las ich einen Status, der nicht mal von einen meiner Freunde stammte, über Zucker. Und da wurde ich neugierig. Um nicht groß auszuholen: Ich fand eine Empfehlung über ein Buch, welches auf 285 Seiten das Thema Zucker beinhaltet, wie er unser Leben beeinflusst und kaputt macht, wie er die Weltherrschaft an sich gerissen hat, wie er uns von ihm abhängig machte. Und in dem Buch ist die Rede von Sucht!
Das Buch 'Garantiert gesundheitsgefährdend' von Hans-Ulrich Grimm kann ich nur jedem ans Herz legen!
Auf einmal kam Licht ins Dunkle, und ich verstand plötzlich, warum ich es einfach nicht sein lassen kann, nach Süßem zu grapschen. Ich habe verstanden, dass nicht ich es bin, sondern dass die Schuld der Zucker trägt. Denn Zucker nehmen wir schon seit klein auf zu uns, denn in so ziemlich jedem Produkt ist er versteckt. Natürlich unterscheiden wir Menschen uns, nicht jeder ist gleich süchtig. Und auch die Lebensumstände tragen viel dazu bei. Ich möchte hier wirklich nicht alle in einem Topf haun!
Ich fand das Buch wirklich sehr aufschlussreich und erschreckend, denn Zucker fördert auch viele Krankheiten, wie Diabetes, starkes Übergewicht und sogar auch Krebs. Und doch wird kaum einer der 'großen Leute' etwas dagegen sagen oder tun, weil die ganze Lebensmittelbranche, und sogar auch die Ärzte, von dem Erhalt des Zuckerkonsums, abhängig sind.

Ich wollte einfach mal gerne ein bisschen über das Thema aufmerksam machen, und hoffe, dass ich auch anderen, so wie ich mir damit helfen konnte, helfen kann.
Ich werde jetzt natürlich nicht den Zucker aus meinen Leben verbannen, das würde gar nicht funktionieren. Sich diese Sachen bewusst zu machen ist schon ein großer Fortschritt! Und ich hoffe, nachdem ich mich mehr und intensiver damit befasst habe, kann ich auch nach und nach den Zucker (zumindest vorerst was den ganzen Süßkram angeht) aus meinen Leben verbannen.
Ich gebe zu, ich will nicht auf alles verzichten. Plätzchen zu Weihnachten, im Sommer Eis, Kuchen bei einer Geburtstagsfeier, usw. Ich möchte lediglich wieder genießen, und vor allem selbst bestimmen können, wann schluss ist.

Berlin: Alexanderplatz

"...starr nach oben gerichtet, regiert er Berlin. Funkelt vom Weiten, leuchtet bei Nacht. Lockt am Tage, ruft jederzeit. Massen eilen geschwind, Tag ein, Tag aus, in jeder Stund'. Du, der du hoch hinaus, weit gen Himmel ragst, gegierst fast die Welt..."





Frühmorgenliche Sonnenstrahlen

"...kein Morgengrauen, keine Wolke, nichts was am Himmel liegt. Strahlendes Blau, unendliche Sonnenweite, Strahlen die ins tiefste Tief greifen, und dort alles leuchten lassen."







Sonnen-Blumen

"...durch's tägliche Sonnenlicht und stetige Wasserflut genährt, prächtig gediehen, immer der Sonne entgegen. Farbe so hell und leuchtend wie die Sonne, so strahlen sie, die Sonnen-Blumen..." 









4. November 2013

Idyllenpracht

Alle paar Monate verschlägt es mich in einer Stadt, von dessen ich nur noch schemenhafte Erinnerungen aus meiner Kindheit besitze. Ich habe mich nie richtig mit ihr anfreunden können, dennoch empfinde ich es als ganz nett, hin und wieder mal vorbeizuschauen. Natürlich nur kurz und knapp, auf den Wege zu Verwandten oder Freunden...

Der Regionalexpress steht schon startklar am Gleis. Das ist aber auch das Mindeste, wenn man schon mit den Schienenersatzverkehr durch halbe Wälder am Rande Berlins tuckern muss.
Ich steige ein und finde eine freie 4er Ecke, wo ich mich gemütlich ausbreiten kann. Kaffee links auf den kleinen Tisch, Buch rechts. Neben mir meine Tasche, und das vorher gekaufte Blümchen lege ich auf den gegenüberliegenden Sitz.
Ich fahre sehr gerne Zug. Entweder vertiefe ich mich in einem Buch und lasse mich von den monotonen Bahngeräuschen im Hintergrund berieseln, oder ich stöpsele mich an meinen MP3-Player und genieße die dahin schwindene Umgebung bei entspannter Musik, und lasse meine Gedanken freien Lauf.
Da gerade der Himmel nicht blauer und die Sonne nicht strahlender sein kann, entscheide ich mich für zweitens.
Viel zu schenll ertönt mein Ausstiegsort, und ehe ich mich versehen kann, steh ich schon draußen und der Zug rollt weilter.
Ich gehe los und genieße die Sonne. Kein Auto ist zu sehen, nur eine ältere Dame fürht ihren Hund gassi. Ich schaue auf die Handyuhr und stelle fest, dass ich noch viel zu viel Zeit habe, wie untypisch für mich.
Ich entscheide mich für einen Umweg, und gehe bewusst langsamer, wie jemand, der einen kleinen netten Spaziergang macht, so wie die drei älteren Herren vor mir.
Mir fällt ein, dass heute Feiertag, und dieser Ort deshalb so herrlich ruhig und entspannend ist. Ich Großstadtfrau kann gar nicht anders, als mich anzupassen.
Ich schaue mir meine Umgebung an. Rechts von mir reihen sich kleine, flache Häuschen aneinander, jeder Vorgarten individuell bestückt. Die Sonne steht weit oben und lässt den Herbst wie einen Frühling erscheinen. Die bunten Blätter der vereinzelten Bäumchen bekommen einen goldenen Schimmer, die wenigen grinsenden Gartenfiguren scheinen lebendig geworden zu sein und die Katzen und Hunde in den kleinen Gärten scheren sich um nichts, sondern liegen nur faul herum. Ich muss lächeln, und frage mich, wann ich wohl zuletzt so etwas begegnet bin.
Gerade noch im stürmischen, mürrischen Berlin gewesen, und nun steh ich hier in einer Gegend, wie man sie nur aus einem Buch oder von einem Bild her kennt. So absurd, geht es mir durch den Kopf.
Ich seufze tief, denn ich bin völlig berauscht. Denn hier steht gerade die Zeit still. Kein Lüftchen weht, kein Blatt rührt sich, kein Auto ist zu hören, kein Mensch zu sehen. Ich traue mich nicht zu atmen, denn ich möchte nicht diese herrliche Stille stören. Langsam gehe ich weiter und sauge wie ein Schwamm, mit jedem Schritt, diesen Moment auf, diesen perfekten Moment, der einen innerlich lächeln lässt. Dafür lebe ich, genau für solche Momente, die so selten und kostbar sind, und so schön, dass es einen glatt von den Füßen reißt, wenn man nicht aufpasst.
Ich laufe weiter und biege links in die Straße ein, wo ich bis zu meinen zweiten Lebensjahr gewohnt habe. Ich bleibe bei dem Haus stehen, wo ich wahrscheinlich laufen und teilweise sprechen lernte. Mittlerweile hat es einen schönen, weißen Anstrich, einen gepflegten Garten und wahrscheinlich liebevolle Besitzer. Ich habe nur eine einzige Erinnerung an diesem Haus, und die ist eher grau und staubig.
Ich setze meinen Weg fort und schaue mir die daneben liegenden Häuser an. Vereinzelt alte Menschen, die im Hausinneren oder im Garten herum laufen. Man könnte meinen, die Stadt ist alt geworden, so wie ich älter geworden bin. Ich komme an dem Schokoladendachhaus vorbei, und partout schwöre ich die nächste Szene aus meiner Kindheit herauf. Irgendein Sommer, meine Bruder und ich fahren mit einem Roller die Straße rauf und runter. Wir haben Ferien und verbringen einige Tage bei unseren Großeltern. Schon damals hielten wir oft vor diesem Haus, dessen braunes Dach so schmackhaft in der Sonne glänzte, dass man denken könnte, es bestehe aus purer Schokolade. Und so haben wir es auch getauft, das Schokoladendachhaus. Ich muss wieder lächeln, wie lange das schon her ist, bestimmt knapp 20 Jahre. Und noch immer sieht es wie reine, flüssige Schokalde aus, wenn die pralle Sonne drauf scheint.
Nur noch wenige Häuser bis zu meinem Ziel.
Beflügelt gehe ich langsam am nächsten Haus vorbei und halte inne. Ich erkenne einen alten Mann mit grauen Haaren und Brille im Hausinneren wieder, der ausdruckslos, aber irgendwie friedvoll, an einem Tisch sitzt. Sein Blick ist leicht nach links geneigt, und ich frage mich, zu wem er gerade schaut, oder wie viele Personen jetzt zur Kaffeezeit bei ihm sitzen. Wahrscheinlich Kinder und Enkel, eine Ehefrau, und im Idealfall noch ein kleiner Hund. Ich muss seufzen. Mein Herz zieht sich für eine kurze, flüchtige Sekunde zusammen, und ein Gefühl der Sehnsucht übermannt mich. Ist es nicht das, wonach sich jeder Sehnt? Nach Menschen die man liebt, die einen auch lieben, mit denen man gerne Zeit verbringt, sei es nur für einen gemütlichen Nachmittag am Kaffeetisch, für wenige Stunden. Für manche nur ein flüchtiger Augenblick. Nicht, dass ich ganz schnell alt werden möchte, um gemütlich mit Mann und Hund am Kaffeetisch sitzen zu können. Aber einen Menschen bei sich zu haben, das wünscht sich wohl jeder, egal wie alt man ist.
Ich gehe weiter, gehe zu den Menschen, die ich gerne besuche. Auch wenn es nur ein paar Male im Jahr sind, für wenige Stunden. Auf die gemeinsame, kostbare Zeit kommt es doch drauf an...